Strasburg (UM) ist ein von Verlust geprägter Ort. Von fast 8000 Einwohner*innen im Jahr 1990 ist nurmehr die Hälfte übrig. Im Zuge der Verwaltungsreform Anfang der Neunziger Jahre verlor Strasburg den Kreisstadt-Status, in der Folge das Krankenhaus, mehrere Schulen, Betriebe wanderten ab oder wurden geschlossen. Kino, Restaurants, Cafes, Läden – das gibt es heute alles nicht mehr, nicht einmal mehr eine Bäckerei. Das drückt sich einprägsam im Stadtbild aus, in unzähligen verlassenen und verfallenen Gebäuden und Ruinen.
Die ohnehin durch die Wende erlebte Erschütterung der Identität und Zugehörigkeit wurde dadurch noch verstärkt, dass Strasburg, zu DDR-Zeiten dem Bezirk Neubrandenburg zugehörig, 1990 in das neu konstituierte Land Mecklenburg-Vorpommern eingegliedert wurde. Und dort auch nach der Länderneubildung blieb, während die gesamte restliche Uckermark wieder zum Land Brandenburg kam. Wie zum Trost lautet der offizielle Stadtname seit 1. März 1995 „Strasburg (Uckermark)“.
Was viele dieser Verluste verbindet und als besonders schmerzlich empfunden wird, ist der Verlust von Gemeinschaft. Zu DDR-Zeiten habe es, so die dominante Erzählung, ein starkes Miteinander gegeben, eine Verbundenheit in ganz praktischen, alltäglichen Angelegenheiten, aber auch im städtischen Leben: „Früher war richtig was los in Strasburg“ und „jetzt macht jeder hier sein Ding“ sind häufige zu hörende Sätze.
Diese Verlusterzählung ist für den französischen Philosophen Jean-Luc Nancy geradezu integraler Bestandteil jeder Rede über Gemeinschaft: Sie ist immer das, was es einmal gab, aber jetzt nicht mehr.
Es ist vor allem ein großer Verlust, der kommuniziert wird. Aber in dieser negativen Manier verbirgt sich und wächst das Bewusstsein des Zusammenseins. Und das öffnet eine neue Anforderung an die Welt, eine Herausforderung, der es zu antworten gilt. (Jean-Luc Nancy, in einem Interview 2007).
Welche Brüche und Konfliktlinien heute die Erfahrung eines Miteinanders im Ort durchkreuzen und in welcher Weise – wenn überhaupt – ein “Bewusstseins des Zusammenseins” in Nancys Sinne erwachsen kann, um diese Fragen kreist unsere filmische Spurensuche in Strasburg (Uckermark).